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Flächenrückführung

Die Kunst schöne Zebras zu modellieren

Ein handgefertigtes Modell eines Messergriffs liegt bereits vor. Es steckt jede Menge Arbeitsaufwand und Know-How darin. Ergonomische und formale Aspekte wurden bei der Herstellung berücksichtigt. Das Objekt liegt perfekt in der Hand, die Proportionen sind optimal. So, wie es ist, soll es möglichst exakt in einen qualitativ hochwertigen Oberflächendatensatz übertragen werden - Toleranzbereich 0.1 mm.

claymodell Modell eines Messergriffs

3D Scannen
Im ersten Schritt wird das Modell mit einem 3D-Laserscanner erfasst. Bei diesem optischen Messverfahren wird das Objekt mittels Laser-Triangulation mit ca. 300.000 Messpunkten abgebildet. Die Messpunkte ergeben eine Punkte­wolke, aus der wiederum ein feinmaschiger Oberflächenverbund, ein sogenanntes mesh aus etwa 600.000 planaren Dreiecksflächen erzeugt wird. Die komplette Oberfläche des Messergriffs ist nun geschlossen und kann mittels CAD-Software schattiert dargestellt werden.

Mesh: Oberflächenverbund aus planaren Dreiecksflächen. Das komplette Volumen wird näherungsweise abgebildet (hier eine Griffhälfte). Die Oberfläche ist jedoch nicht glatt, sondern facettiert.

Analyse und Planung
Im nächsten Schritt wird das mesh topologisch analysiert. Die Oberfläche wird hinsichtlich ihrer partiell verschiedenen Krümmungseigenschaften (curvature) untersucht und interpretiert. Diese Analyse, die mit speziellen Evaluierungs-Shadern durchgeführt wird, hilft bei der Planung des patch layouts. Das patch layout definiert die Struktur der Einzel­flächen.

Curvature evaluation: Falschfarbendarstellung der Oberflächenkrümmung.
Scan lines: Geordnete Sektionen in X-, Y- und Z-Richtung.

NURBS-Modelling
Ähnlich einem Schneider, der Schnittmuster für einen Anzug anfertigt, geht es bei der Flächenrückführung darum ei­ne bestimmte Oberflächentopologie möglichst straff und fliessend mit einzelnen Flächen-Patches zu umbauen. Das Er­gebnis ist ein "maßgeschneiderter" Oberflächenverband aus einzelnen Nurbs-Flächen mit krümmungsstetigen Fläch­en­übergängen. In der höchsten Qualitätsstufe der Ausführung spricht man von class-A surfaces. Bei Ober­fläch­en dieser Qualität ist der Lichtverlauf in jedem Bereich des Objektes fliessend und stetig. Die Flächen verlaufen strak (fliessend, gerichtet) durch den Raum. Je besser das patch layout zur Topologie passt, desto präziser und effiziernter (minimale Anzahl an Flächenkontrollpunkten) kann die Oberfläche fliessend und glatt abgebildet werden. Es gilt dabei den bestmöglichen Kompromiss zwischen originalgetreuer Abbildung und optimaler Oberflächenqualität zu finden. Diese Aufgabe kann bislang keine Software leisten. Auch handelt es sich hierbei nicht, wie irrtümlich oft angenom­men, um einen digitalen Prozess im eigentlichen Sinne. Der Prozess des Modellierens an sich ist völlig analog. Das digitale Element stellt lediglich die Software als Werkzeug dar.

Der Reverse Engineering-Prozess: Nurbs-Flächen werden auf das Mesh aufmodelliert.
Gestrakte Nurbs-Oberflächen: Das passende patch layout ermöglicht hochwertige Flächen mit krümmungsstetigen Flächenübergängen. Der Zebra-Shader visualisiert die Oberflächengüte.
Class-A Surfaces: Der Chrom-Shader zeigt den Licht- und Reflexionsverlauf an.

Modellieren vs. Konstruieren
Warum spricht man in diesem Zusammenhang von Modellieren und nicht von Konstruieren? Der Designer als surface modeller muss beim Modellieren unzählige Entscheidungen treffen und abwägen, wie er bestimmte Bereiche eines Ob­jektes formt. Es gibt dabei keine absoluten Kriterien wie beim konstruieren. Alles ist relativ und wird in Relation zum topologischen Kontext betrachtet. Beim Aufmodellieren der Nurbs-Flächen interpoliert der Modelleur das zugrunde­lie­gende mesh nach eigenem Ermessen innerhalb einer vorgegebenen Toreranz und trifft auch in diesem mikros­kop­isch kleinen Raum noch gestalterische Entscheidungen. Im Gegensatz dazu steht der Konstrukteur, der mit prisma­tischen (extrudierten) Volumen (solids) arbeitet und diese komplett parametrisch aufbaut. Die Gestalt dieser Objekte ist von harten Parametern und konstruktiven Randbedingungen geprägt. Vereinfacht ausgedrückt kann man sagen, daß bei der Konstruktion eines Bauteils vorwiegend orthogonal ausgehend von einer Bezugsebene gearbeitet wird. Beim Freiformmodellieren dagegen werden Flächen in jeder erdenklichen Raumrichtung erstellt und direkt über Fläch­enkontrollpunkte (CVs) manipuliert. Beim Konstruieren dagegen werden Objekte durch Eingabe numerischer Werte generiert und lassen sich im Nachhinein durch Anpassung einzelner Parameter automatisch neu aufbauen. Beim Modellieren ist dies nicht möglich, da einem Nurbs-Flächenverbund keine auf absoluten Zahlenwerten ba­sier­ende Parametrik zu Grunde liegt. Hinzu kommt, daß die Mathematik von Nurbs-Flächen nicht-rational ist - Konstruk­tions­systeme hingegen arbeiten normalerweise mit rationaler Geometrie. Freiformflächen können, wie der Name schon sagt, völlig frei und direkt manipuliert werden. Diese Uneingeschränktheit an Freiheitsgraden beim Manipulier­en von Flächen gibt dem Designer jede erdenkliche Freiheit, erfordert allerdings auch ein hohes Maß an Können im Umgang mit dem Werkzeug, insbesondere beim Prozess des Modellierens an sich.